Wenn der Narzisst dich schlägt – und sich selbst bemitleidet

In Beziehungen mit einem Narzissten kommt es oft zu einem unheilvollen Zusammenspiel von Gewalt, Kontrolle und Selbstmitleid – einem toxischen Dreieck, das Opfer nicht selten an den Rand ihrer seelischen und körperlichen Belastbarkeit bringt.

Der Titel „Wenn der Narzisst dich schlägt – und sich selbst bemitleidet“ beschreibt genau dieses Phänomen: Der Täter übt physische oder psychische Gewalt aus und gerät anschließend in eine Rolle des leidenden Opfers. Doch was steckt hinter diesem Verhalten? Warum bemitleidet sich jemand, der anderen bewusst Leid zufügt? Und wie können Betroffene aus diesem Teufelskreis entkommen?

Die wahre Natur des Narzissten

Narzissmus wird oft verwechselt mit gesundem Selbstbewusstsein oder einem Hang zur Eitelkeit. Doch pathologischer Narzissmus – wie er in narzisstischen Persönlichkeitsstörungen vorkommt – ist viel tiefgreifender.

Narzissten haben ein grandioses Selbstbild, das sie verzweifelt aufrechterhalten müssen. Tief im Inneren jedoch steckt ein fragiles Selbstwertgefühl, das von ständiger Bewunderung und Kontrolle über andere abhängig ist.

Diese innere Leere kompensieren sie durch Manipulation, Schuldumkehr, Einschüchterung – und in manchen Fällen durch Gewalt. Wenn die Kontrolle über den Partner entgleitet oder sie sich in ihrer Grandiosität gekränkt fühlen, greifen manche Narzissten zur körperlichen Gewalt.

Gewalt als Mittel zur Wiederherstellung der Kontrolle

Narzissten hassen Kontrollverlust. Wenn ihr Partner eigene Bedürfnisse äußert, Grenzen setzt oder sich emotional zurückzieht, empfinden sie das als Bedrohung.

Um diese „Kränkung“ zu kompensieren, greifen manche Narzissten zu extremen Maßnahmen: Sie schreien, demütigen, schlagen. Die Gewalt dient nicht der Konfliktlösung – sie ist ein Machtinstrument.

Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Auch narzisstische Frauen können körperlich oder emotional gewalttätig werden – oft subtiler, aber nicht weniger zerstörerisch.

Das paradoxe Selbstmitleid des Täters

Nach einem gewalttätigen Ausbruch folgt nicht selten der nächste Akt im Drama: Der Narzisst wird zum scheinbar zerbrochenen, missverstandenen Menschen.

Er beteuert, dass „alles zu viel“ war, dass er „nicht mehr konnte“, dass er „sich selbst hasst für das, was passiert ist“. Tränen fließen, Versprechungen werden gemacht – und das Opfer beginnt, Mitleid zu empfinden.

Dieser Wechsel von Aggression zu Opferrolle ist kein Zufall. Er dient einem bestimmten Zweck: Schuldumkehr. Plötzlich steht nicht mehr das Verhalten des Narzissten im Mittelpunkt, sondern seine Gefühle.

Die eigentliche Frage – „Warum hast du mich geschlagen?“ – wird überlagert von seiner Klage: „Wie konntest du mich so stressen, dass ich ausgerastet bin?“

Das Opfer fühlt sich verwirrt, beginnt sich schuldig zu fühlen und zweifelt an der eigenen Wahrnehmung. Dieser Mechanismus wird als Gaslighting bezeichnet und ist eine gängige Manipulationstaktik narzisstischer Personen.

Die toxische Bindung: Warum es so schwer ist zu gehen

Viele Menschen fragen sich: „Warum bleibt man bei jemandem, der einen schlägt?“

Die Antwort ist komplex. Narzisstische Beziehungen verlaufen oft in Zyklen aus Idealisierung, Entwertung und Wiederannäherung. Nach der Gewalt folgen Reue, Versöhnung und erneute Liebesbekundungen. Das Opfer erlebt emotionale Hochs und Tiefs, die wie eine Droge wirken.

Hinzu kommt das schleichende Zerstören des Selbstwerts. Wer monatelang oder jahrelang entwertet wurde, verliert das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung. Aussagen wie „Du bist schuld“, „Du bist überempfindlich“, „Ich liebe dich – aber du provozierst mich“ werden internalisiert. Das Opfer glaubt, für die Gewalt mitverantwortlich zu sein.

Diese emotionale Abhängigkeit ist das unsichtbare Gefängnis narzisstischer Beziehungen.

Gesellschaftliches Schweigen und die Verharmlosung des Täters

Ein weiteres Problem liegt im gesellschaftlichen Umgang mit solchen Beziehungen. Viele Narzissten sind nach außen charmant, hilfsbereit und erfolgreich.

Das Umfeld glaubt ihnen eher als dem Opfer. Aussagen wie „Er meint es doch nicht so“, „Du übertreibst sicher“ oder „Jeder hat mal schlechte Tage“ verharmlosen die Situation.

Besonders heikel wird es, wenn der Narzisst sein Selbstmitleid öffentlich macht. Plötzlich ist er das Opfer – einer kalten Partnerin, einer undankbaren Familie, einer Welt, die ihn nicht versteht.

Das wahre Opfer wird mundtot gemacht, lächerlich gemacht oder als „psychisch instabil“ abgestempelt.

Was tun, wenn du betroffen bist?

Nimm die Gewalt ernst.
Egal, ob es ein einziger Schlag oder jahrelange emotionale Zerstörung war – Gewalt ist niemals gerechtfertigt. Du hast das Recht, dich zu schützen.

Dokumentiere alles.
Führe ein Tagebuch, mache Fotos von Verletzungen, sichere Beweise. Sie können bei späteren rechtlichen Schritten oder in der Therapie wichtig sein.

Sprich mit jemandem.
Vertraue dich einer Freundin, einem Therapeuten oder einer Beratungsstelle an. Du bist nicht allein, auch wenn du dich oft so fühlst.

Setze klare Grenzen.
Wenn möglich, verlasse die Situation. Narzissten ändern sich nicht durch Reue oder Versprechen – nur durch konsequente Distanz und klare Konsequenzen.

Erkenne das Muster.
Die Kombination aus Gewalt und Selbstmitleid ist kein Zufall – sie dient der Kontrolle. Je schneller du das erkennst, desto eher kannst du dich befreien.

Der Weg zur Heilung
Es ist ein langer Weg, sich aus einer narzisstischen Beziehung zu lösen – besonders wenn Gewalt im Spiel war. Oft braucht es professionelle Hilfe, um das eigene Selbstbild zu reparieren und die Schuldgefühle abzulegen.

Doch jede Trennung, jeder Schritt in Richtung Freiheit ist ein Schritt zurück zu dir selbst. Du bist nicht das Problem. Du bist jemand, der geliebt, geschützt und respektiert werden sollte – ohne Ausreden, ohne Gewalt, ohne falsches Mitleid.

Fazit

Wenn der Narzisst dich schlägt und sich gleichzeitig als Opfer inszeniert, steckst du in einem manipulativen Machtspiel. Dieses Verhalten ist kein Ausdruck von Schwäche oder Selbsthass – sondern von Kontrolle und emotionaler Erpressung. Sich daraus zu befreien, braucht Mut. Doch es ist möglich – und du verdienst es.

Author

  • Melina Lauer Fuchs

    Ich bin Melina, Autorin dieses Textes. Mit meinen Worten möchte ich berühren, aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Themen wie emotionale Verletzungen, familiäre Muster und inneres Wachstum begleiten mich seit vielen Jahren – beruflich wie persönlich. Wenn du dich in meinen Zeilen wiederfindest, dann weißt du: Du bist nicht allein.

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