Warum ich ihn immer noch so stark fühle, obwohl er mir wehgetan hat
Du hast erkannt, dass er dir nicht guttut. Du hast vielleicht unzählige Male geweint, dich unverstanden, klein, abgewertet und allein gefühlt. Und trotzdem spürst du ihn noch – in deinem Herzen, in deinem Körper, in deinen Gedanken. Du fragst dich, warum du ihn immer noch so stark fühlst, obwohl so vieles in dir weiß, dass er dich verletzt hat.
Diese Frage stellt sich nicht nur dein Verstand. Sie kommt aus deinem tiefsten Inneren – von einem Teil in dir, der noch nicht loslassen kann, weil er noch nicht verstanden wurde, noch nicht geheilt ist. Und dieser Teil hat eine Geschichte.
Bindung bleibt – auch wenn sie weh tut
Die emotionale Verbindung zu einem Menschen, mit dem du viel erlebt hast, ist nicht rational.
Besonders bei Menschen, die uns verletzt haben, entsteht oft eine tief verankerte Bindung, weil unser Nervensystem auf ständigen Alarm gestellt wurde.
Es ist eine Mischung aus Sehnsucht, Schmerz und Hoffnung. Und gerade diese Mischung ist toxisch stark. Es ist wie eine emotionale Sucht. Der Körper erinnert sich an Nähe – auch wenn sie unzuverlässig oder verletzend war.
Er speichert auch Schmerz als „Verbindung“, besonders, wenn du immer wieder zurückgegangen bist. Das nennt man auch „traumatische Bindung“.
Der Kreislauf aus Liebe und Schmerz macht abhängig
Narzissten oder emotional missbräuchliche Menschen geben oft gerade genug Zuneigung, um dich hoffen zu lassen – und ziehen sich dann wieder zurück.
Dieses sogenannte „Hot-and-Cold“-Verhalten wirkt wie ein emotionales Drogenmuster: Du bekommst einen Moment der Nähe, danach folgt Leere.
Der Körper und das Herz suchen dann verzweifelt nach dem nächsten „Kick“ – der nächsten Zuwendung. Und genau das hält dich innerlich gefangen. Du denkst nicht nur an ihn – du wartest unbewusst auf eine Wiederholung des Musters, das du kennst.
Du vermisst ein Gefühl – nicht unbedingt ihn als Person
Was wir oft vermissen, ist nicht der Mensch selbst, sondern das Gefühl, das wir mit ihm verbunden haben. Vielleicht war es Geborgenheit, gesehen werden, ein kurzer Moment von „Ich bin wichtig“.
Selbst wenn diese Gefühle selten oder unecht waren – sie haben dich berührt. Und diese Berührung wirkt nach.
In Wahrheit sehnst du dich nach Sicherheit, nach Liebe, nach Anerkennung. Und das ist okay. Aber du darfst lernen, dass du dir das auch selbst geben darfst – mit der Zeit.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Vielleicht hält ein Teil in dir noch an der Idee fest, dass er sich ändern könnte. Dass er doch einmal „gesehen hat, wer du wirklich bist“.
Dass das, was ihr hattet, doch auf eine Art besonders war. Solche Gedanken sind verständlich – aber sie füttern die Illusion.
Denn: Narzissten zeigen oft nur das, was du sehen willst – nicht, wer sie wirklich sind. Und selbst wenn die Anfänge „magisch“ waren, ist die Realität heute eine andere.
Dein Selbstwert ist erschüttert – und sucht Bestätigung
Emotionale Verletzungen, die über lange Zeit stattfinden, nagen am Selbstwert. Du fragst dich vielleicht, ob du schuld bist, ob du zu empfindlich warst, ob du es verdient hast.
Und genau hier wird es gefährlich: Denn wenn du an dir zweifelst, beginnst du unbewusst, genau von dem Menschen Bestätigung zu wollen, der dich zerstört hat.
Du willst, dass er dir beweist, dass du liebenswert bist – obwohl er dich abgewertet hat. Dieser Kreislauf ist zerstörerisch, aber zutiefst menschlich.
Dein inneres Kind hängt fest
Viele emotionale Wunden stammen aus der Kindheit. Wenn du damals nicht gesehen, nicht gehört oder übergangen wurdest, kann ein narzisstischer Partner genau diese Wunde berühren.
Du kämpfst dann nicht nur um seine Liebe – du kämpfst um etwas viel Tieferes: um den Wunsch, endlich wichtig zu sein, endlich „richtig“ zu sein.
Und das erklärt auch, warum du ihn so stark spürst – weil er eine tiefe, alte Sehnsucht angesprochen hat.
Warum du ihn noch fühlst – und was du jetzt tun kannst?
Du fühlst ihn, weil du verbunden warst. Du fühlst ihn, weil dein Herz offen war. Und du fühlst ihn, weil du verletzt wurdest – und Verletzungen heilen nicht in Tagen oder Wochen. Aber du kannst heilen. Du darfst:
- Deine Geschichte ernst nehmen
- Die Bindung als das erkennen, was sie war
- Dich nicht verurteilen, sondern verstehen
Schritt für Schritt dein eigenes Leben zurückerobern
Konkrete Schritte für deine Heilung
Kontaktabbruch – falls möglich: Lösche Nummern, blockiere Kanäle, entferne Erinnerungen, die dich triggern.
Emotionale Klarheit gewinnen: Schreibe dir auf, was passiert ist – ohne Verklärung, ohne Schönreden.
Unterstützung suchen: Sprich mit einer Therapeutin, Selbsthilfegruppe oder Vertrauensperson.
Selbstfürsorge etablieren: Schaffe tägliche Rituale, die dir Kraft geben – Bewegung, Journaling, Meditation.
Neue innere Botschaften kultivieren: Sag dir bewusst Dinge wie:
„Ich darf loslassen.“
„Ich bin nicht verantwortlich für seine Taten.“
„Ich bin wertvoll – auch ohne seine Anerkennung.“
Fazit
Dass du ihn noch fühlst, heißt nicht, dass du versagt hast.
Es heißt nur, dass du menschlich bist – mit einem offenen Herzen, das geliebt hat, gehofft hat und enttäuscht wurde.
Aber du darfst jetzt etwas Neues wählen. Du darfst dich selbst wieder spüren – und nicht mehr nur ihn.